Gedenkstein – Pankratius

Denkmäler und ihre Geschichte

Pankratius-Stein im Klosterpark

Auf der süd-west Ecke der 1870 erbauten Villa Pauli, des heutigen St. Elisabeth-Heimes links, ca. 20 m südlich des oktogonalen Kardinal-Schulte-Pavillon[1] steht ein besonderer Gedenkstein aus Sandstein auf einem Ziegelsteinsockel.

Blick nach Norden – Aufnahme 1.3.2021

Stein:    H ca.80 cm, B ca. 53 cm, T ca.18 cm

Sockel:  H ca.52 cm, B     130 cm, T ca.40 cm

Gesamthöhe ca. 132 cm

[1] Am 10. März 1941 starb der Kardinal Prof. Dr. Schulte während eines schweren Luftangriffs auf Köln in einem Luftschutzkeller an Herzversagen. „Als bleibendes Andenken wurde uns von seiner Nichte, Frl. Maria Schulte, das sogenannte „Palaischen“ zum Geschenk gemacht.“ (Auszug aus der Haus-Chronik von Sr. Ul. Ludovica). Frühestens nach dem Tod des Kardinals und der Schenkung kann der Pavillon an diese Stelle versetzt worden sein. Der Weg in den Wald war den Schwestern zu mühselig und er wurde an dieser Stelle in der Nähe des Stammhauses auch entschieden häufiger und multifunktionaler genutzt.

Blick nach Westen – Aufnahmen 12.7.2016

D   M

HVNC CE CAVVM PRES
SIT LAPIDEM TRAC NAMQ
VE SEDENDO HIC PROPE TER TE
RNAS DEGIT OLYMPIADAS

PAUPER INOPSQVE OCULOQVE

MANU PEDE CAPTUS ET OSSE

PROICIENTI OBULUM VOTA

PIUS REDDIDIT

SIT EI TERRA LEVIS

Dem Verstorbenen

Diesen Stein hier hat Trac hohl gedrückt

im Sitzen hat er auf ihm dreimal 3 Olympiaden[1][i]

verbracht    arm und mittellos

eines Auges, einer Hand, eines Fußes und

eines Beines beraubt, entgegnete er dem,

der ihm eine Münze zuwarf,

mit einem frommen Wunsch.

Möge ihm die Erde[2]leicht sein!

Blick nach Osten

Diesen Stein kennt der Autor seit November 1972. Immer war ich der Meinung, dass das Portrait eine „Meißel Arbeit“ eines Steinmetzes ist. Zweifel kamen dem Autor bei näherer Betrachtung des Buchstaben „T“ im Namen „PANKRATIUS“. Am 2.3.2021 habe ich die Relief-Seite mit einer sehr starken Lupe betrachtet und stellte fest, dass die Umschrift als auch das Portrait modelliert sind, d.h., jeder einzelne Buchstabe wurde aus einer aufgetragenen weichen Beton-Spachtelmasse mit unterschiedlich breiten Spachteln geformt. Ganz deutlich ist das bei dem Buchstaben „T“ bei „PANKRATIUS“ zu erkennen, der Buchstabe hat sich vom Stein gelöst und die originale Fläche des Steines ist sichtbar. Auch bei dem Portrait wurde die Beton-Spachtelmasse auf die glatte Fläche des Steines aufgetragen und dann mit Spachteln sowie breiten und schmalen Pinseln modelliert. An nahezu allen Buchstaben und auch an verschiedenen Randstellen des Reliefs sind Risse deutlich zu erkennen.

Rosenkranz mit dem Kreuz, Armstumpf und Beschädigungen

Dieser Stein soll an Pankratius Track aus Glessen erinnern, wie die Schrift um das Portraits bezeugt: „PANKRATIUS TRACK GLESSENIENSIS“. Ganz oben auf dieser Seite des Gedenksteins erkennt man, dass der Stein ursprünglich ganz flach war und erst bei der Umwidmung zum Gedenkstein mit einer ca. 4 cm dicken vorgesetzten im oberen Bereich abgerundeten Platte versehen wurde. Auf dem Kopf trägt Pankratius eine Schirmmütze, um den Hals einen großperligen Rosenkranz mit dem Kreuz etwa auf der Höhe des Herzens. Auf dem Bild kann man auch den linken Armstumpf erkennen. Pankratius hat langes, fülliges Haar und ein ernstes Gesicht; die Lippen sind fest zusammengepresst. In seinem Leben gab es viele Situationen, um „auf die Zähne zu beißen“. Sein Gesicht und seine Körperhaltung wirken sehr selbstdiszipliniert. Sinnvollerweise blickt er nach Norden, in Richtung Glessen. Je länger und intensiver man diesen ursprünglich schlichten, kunstlosen Stein betrachtet, umso mehr kommt man zu der Erkenntnis, dass dieser Stein ein kleines Kunstwerk ist. Die Gebrüder Pauli, die Stifter der St. Magdalene-Kapelle in Klein Königsdorf[1], wollten dem Bettler, um den sie sich mehr als 30 Jahre gesorgt hatten, einen vornehmen, nahezu „herrschaftlichen“ und ewigen Grabstein auf ihrem Grund und Boden setzen. Man sieht, mit wieviel Liebe zum Detail der Grab-Gedenkstein konzipiert und vom Steinmetzt gestaltet wurde.[2] Warum und wann der Gedenkstein beschädigt wurde, ließ sich nicht ermitteln.

Pankratius Track war einer der ca. 2.000 Arbeiter, die in den Jahren 1837 bis 1841 auf der projektierten Bahnstrecke von Köln/Rhein über Düren und Aachen nach Antwerpen/Nordsee den Tunnel zwischen Königsdorf und Horrem bauten. Schon als junger Mann wurde er infolge verschiedener Arbeitsunfälle[3] zum Frühinvaliden. Da es in dieser vorindustriellen Zeit noch keine Invalidenversicherung gab, diese wurde erst unter Bismarck im Jahre 1889 eingeführt, musste er seinen Lebensunterhalt durch Betteln bestreiten. Die Aachener Straße war schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine besonders von Pferdekutschen stark befahrene Landstraße und deshalb ließ er einen großen, stufenhohen Stein südlich der Klostermauer, außerhalb des 1802 säkularisierten Klosters in unmittelbarer Nähe der Kalvarienberg-Kreuzigungsgruppe (gefertigt Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts) direkt an der Straße platzierte und nahm für 36 Jahre auf diesem, seinem Stein Platz. Im Laufe der vielen Jahre schabte er mit seinen Hosen ungewollt den weichen Sandstein um ca. 5 cm aus, so dass eine relativ große, gesäßkonforme Sitz-Mulde entstand.

Dort saß der Vollinvalide nunmehr Jahr für Jahr, Sommer und Winter. Bei freundlichem, gutem Wetter verbrachte er nahezu den ganzen Tag auf seinem Stein. Bei rechnerischem und kaltem Wetter bezog er in einer Knechtekammer des Klosters Quartier, in der er sich auch kultivieren und die Mahlzeiten einnehmen konnte.

Die sozial und gesellschaftspolitisch sehr engagierten unverheirateten Brüder Carl[4] und Fritz[5] Pauli, welche dort als Pächter wohnten und die Ländereien des Klosterhofes bewirtschafteten, spendeten ihm bis zu ihrem Umzug in die 1870 fertiggestellte Villa Pauli im Klosterpark täglich die Mahlzeiten. Die Sonn- und Feiertage verbrachte Pankratius Track meistens bei seinen Eltern und Geschwistern im ca. 5 km entfernten Glessen – für einen Fuß-, Bein- und Armamputierten mit Holzbein und Krücke eine anspruchsvolle Strecke.

Seinen Lebensabend soll Pankratius in einem Armenhaus verbracht haben.[6]

1895 stellte „Assessor“ Fritz Pauli den „Sitz“ (-Stein)[7] des Pankratius in unmittelbarer Nähe – im Süd-Westen – ihrer Villa auf. Die westliche Seite des Steines (ehemals die untere Seite) wurde mit dem Portrait des Pankratius geschmückt. Die östliche, die „ausgesessene“ Seite, ließen die Gebrüder Pauli zur Erinnerung an ihren Schützling, von ihrem Neffen[8], dem Kölner königlichen Regierungs- und Oberbaurat Max Trimborn (1856-1934[9]), mit einer kurzen Vita des Pankratius im kultivierten Stil einer römischen Grabinschrift versehen.

Da steht er nun – der besondere Gedenkstein an Pankratius Track[10]

schon mehr als 125 Jahre.

[1] Entworfen und erbaut von dem Kölner Oberbaurat Max Trimborn. Eingeweiht am 25.9.1892.

[2] Fast alle Grabsteine der Sippe Pauli auf dem Friedhof in Klein Königsdorf sind für „ewige Zeiten“ („ewiges Nutzungsrecht“) geschaffene, originelle Kunstwerke.

[3] Er war nicht der einzige Arbeiter, der beim Bau dieser neuen Bahnstrecke verletzt wurde oder gar tödlich verunglückte. Es gab auch einen (aktenmäßig erfassten) schweren Unglücksfall beim Bau des Tunnels zwischen Groß Königsdorf und Horrem. Peter Roetgen aus Buschbell war tödlich verunglückt und seine Witwe erhielt 10 Taler als Abfindung. Auch für die Strecke Düren-Aachen existieren „Unterstützungsgesuche“ von Witwen und Bürgermeistern an die Rheinische-Eisenbahn-Gesellschaft für ihre beim Bau des Tunnels im Aachener Busch tödlich verunglückten Männer. Fast ein Jahr (August 1842) nach der Inbetriebnahme der Strecke Köln-Aachen musste sich die Eisenbahndirektion in Köln mit einem derartigen Fall befassen. „Der Witwe des bei dem Bau des Tunnels im Aachener Busch verunglückten Steigers Sander wurde ‚in Berücksichtigung ihrer hilfsbedürftigen Lage der Betrag von zehn Thalern bewilligt.“ Joseph Sander: Der Eisenbahntunnelbau zu Groß Königsdorf 1837-1841, in: Pulheimer Beiträge zur Geschichte, Bd.43, 2019, S.145-164.

[4] Johann Baptist Franz Carl (4.8.1830-7.11.1905 (+ in Klein Königsdorf) – zeitweise Abgeordneter des Zentrums im Landtag.

[5] Friedrich Wilhelm (14.3.1832-18.12.1898 (+ in Klein Königsdorf) auch Zentrumsabgeordneter im Landtag, bis 1863 Regierungsassessor/daher sein Spitzname „Assessor“. Nach seinem Tod nutzte der Bruder Josef Pauli, Gutsbesitzer aus Lövenich, die Villa als Sommer-Residenz. Er starb am 16.1.1912. Seine Frau Anna, geb. Clemens, lebte noch 10 Jahre bis zu ihrem Tod am 11.8.1922 in der 1919 verkauften Sippen-Villa-Pauli.

[6] Königsdörfchen, Informationsblatt der Dorfgemeinschaft St. Magdalena 1948, Kleinkönigsdorf e.V., Ausgabe 24, November 2007, S.1 – ohne Quellennachweis.

[7] Egon Heeg, Die „Aachener Straße“ und Königsdorf – Die Geschichte einer Beziehung in: Königsdorf im Rheinland, Beiträge zu seiner Geschichte, hrsg. von Egon Heeg, Axel Kurth, Peter Schreiner, Pulheim 2011, S.130f.

[8] Egon Heeg, Königsdorf, a.a.O.,S.131.

[9] 1921 ging er in den Ruhestand.

[10] Nur wenige kennen diesen Stein und kaum jemand kennt seine Geschichte. Von 72 Personen, denen der Autor am oktogonalen Pavillon begegnete, kannte nur eine ältere Dame diesen fast daneben stehenden Stein. Inzwischen hat man süd-östlich gegenüber dem Stein zwei Bänke aufgestellt, sodass man direkt gegenüber dem Stein Platz nehmen kann und einen sehr schönen Blick auf den Stein, den Pavillon und den westlichen Flügel des Seniorenheimes hat – erstes Bild.

[1] Dreimal 3 x 4 Jahre = 36 Jahre.

[2] Auf seinem Sarg = er möge (ohne Schuld) ruhen in Frieden!

Veröffentlicht on 8. März 2021 at 16:58  Kommentare deaktiviert für Gedenkstein – Pankratius